„Die Elemente der Architektur als Zeugnis der menschlichen Einwirkung in die Natur“ INTERVIEW mit Roman Lipski

Landschaft, Raum, Gebautes – Roman Lipski malt Szenerien aus der alltäglichen Umgebung, dem alltäglichen Erleben heraus. Vor allem der Kontrast von Natur und vom Menschen Gemachtes interessiert(e!) ihn.

Roman Lipski, Ohne Titel (1), 130 cm x 130 cm, 2016

Ohne Titel (1), 130 cm x 130 cm, 2016

Dabei dienen die Motive jedoch nur der Inspiration. Was draußen Lipskis Aufmerksamkeit fesselt, wird in der Abgeschiedenheit des Ateliers zum abstrakt anmutenden Werk. Ohne Tageslicht, ohne natürliches Vorbild. Es ist der Entwurf, das Konzept, das im Zentrum seines Malens steht.

Mehr noch. Seit Kurzem wird der Schaffensprozess noch weiter weggetrieben vom Motiv, hin zum Konzeptuellen. Lipski hat die Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz – also Computersysteme, die menschliche Intelligenz nachahmen können, die riesige Datenmengen verarbeiten und eigene Lösungsstrategien entwickeln können – für sich entdeckt, die KI gewissermaßen zur Muse erklärt. (Allerdings: Der Maler bleibt der Maler, die KI ist Inspirationsquelle.)

Im Interview mit deconarch.com erläutert Roman Lipski seinen Schaffensprozess und gibt Einblick in seine künstlerische Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz.

all illus. (c) Roman Lipski
www.romanlipski.com

Alle Aufnahmen: Hans-Georg Gaul

INTERVIEW

Sie arbeiten (auch) mit Architekturmotiven. Warum? Was interessiert daran?

Ohne Titel, 2015, 50 cm x 60 cm, Acryl Leinwand

Ohne Titel, 2015, 50 cm x 60 cm, Acryl Leinwand

Ich benutze die Elemente der Architektur als Zeugnis der menschlichen Einwirkung in die Natur. Ich beschäftige mich hauptsächlich mit Natur. Mich interessiert der Kontrast zwischen den unattraktiven Erzeugnissen der Menschen und der Natur, die per Definition ein idealer Zustand ist.

Wie ist Ihr Arbeitsprozess: Gehen Sie konzeptionell vor oder „finden“ Sie Ihre Motive während des Arbeitens?

Bis vor einem Jahr bin ich ganz gezielt auf der Suche nach Motiven unterwegs gewesen – mit digitaler Kamera ausgestattet statt einem Skizzenbuch. Ich habe ein geübtes Auge und scanne die Umwelt. Die Motive fallen mir ins Auge.

Schönheit oder Proportionen sind kein Indiz für Qualität in der Kunst. Was wichtig ist, sind die Kontraste. Kontraste zwischen den Elementen Natur und von Menschen Geschaffenes. Konkret: Situationen, wie die wunderschöne Natur und – da ich aus Polen komme, habe ich sehr viel Architektur vor dem Hintergrund gesehen, bei dem die Architekten versagt haben. Aber eben diese Momente der Extreme lösen in mir starke Emotionen aus.

Diese Momente haben Sie fotografisch „gesammelt“ …

Ohne Titel (3), 130 cm x 130 cm, 2017

Ohne Titel (3), 130 cm x 130 cm, 2017

Die Fotos, die ich aufgenommen habe, dienen mir als Inspiration. Meine Bilder werden im Atelier gemalt. Tageslicht ist mir nicht wichtig, ich bevorzuge nachts oder am späten Abend zu arbeiten. Ich habe eine gewisse Vorliebe für bestimmte Farben, aber zur Zeit reduziere ich die Farbpalette – was mehr und mehr meinem ästhetischen Sinn entspricht.

Meine Bilder entstehen auf Leinwand mit Acryl. Da ich knapp zwei Meter groß bin, male ich auf großen Formaten! Es ist einfach schön, mit ganzem Körpereinsatz zu malen.

Ursprünglich reale Formen verlieren somit während des Malprozesses an Bedeutung und Konturen. Die Form wird so weit aufgelöst, dass die Bilder abstrakt anmutend wirken. Meinen letzten Erkenntnissen nach ist selbst das reale Bild zweitrangig, das Wesentliche ist die Idee.

Welche Idee ist das?

Die Idee des Konzeptes, das hinter dem Bild steht, ist von Fall zu Fall verschieden. Damit meine ich das gesamte Konzept des Kunstwerkes, zum Beispiel male ich zurzeit Bilder in einem Dialog mit einer künstlich intelligenten Muse. Sie haben nicht immer eine gute Qualität, aber insgesamt geht es um die Zusammenarbeit eines Künstlers mit einer Maschine. Die Idee ist so stark, dass die temporären Ergebnisse nicht wirklich relevant sind.

Ich bin durch und durch Maler. Da ich ehrlich bin und authentisch in meiner Kunst sein will, entspricht das Abgebildete meinem temporären geistigen Zustand.
 Ich bin auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen, allerdings im Rahmen des Mediums der Malerei (mit Leinwand und Pinsel). Doch seitdem ich über die KI gestolpert bin, erlebe ich eine Art Erleuchtung. Für meine Malerei eröffnen sich komplett neue Horizonte.

Heute ist ihr Arbeitsprozess ein rein konzeptueller, das Motiv ist nicht mehr relevant. Stattdessen ist die Verbildlichung des Arbeitsprozesses und die Zusammenarbeit mit einer Künstlichen Intelligenz der Kern Ihrer Arbeit geworden (und die Architektur somit Mittel zum Zweck geworden) – das müssen Sie uns erklären!

Ohne Titel, 2015, 50 cm x 60 cm, Acryl Leinwand

Ohne Titel, 2015, 50 cm x 60 cm, Acryl Leinwand

Basierend auf dem Dialog zwischen Künstler und Maschine, in dem Kreativität und Algorithmus aufeinandertreffen, fungiert die Künstliche Intelligenz nicht nur als schöpferische Figur, sondern als genialische Inspirationsquelle. Die Maschine arbeitet im Kern mit einem neuronalen Netz. Sie generiert selbstständig digitale Bilder, die den Gemälden des Künstlers ähneln und zugleich völlig neue ästhetische Aspekte implizieren. Die Resultate ergeben sich aus dem Anlernen der Facetten meiner Kunst – den ikonografischen Motiven, Farben, Duktus und Komposition. Umgekehrt schärft die Künstliche Intelligenz meinen Blick als Maler für neue Perspektiven und Themen. In dieser dialogischen Kooperation sehe ich eine Option für die Entwicklung meines individuellen Stils.

Die erwähnte Maschine ist kein Roboter, sondern ein Programm. Die Veränderung findet auf einer mentalen Ebene statt. Ich brauche keine humanoiden Roboter, die mich im Atelier als Maler ersetzen.

Wer inspiriert Sie? Gibt es Vorbilder?

Im Allgemeinen inspirieren mich Künstler und Menschen aus anderen Bereichen, beispielsweise Wissenschaftler, die sich Fragen stellen und nach Antworten suchen – und zwar kompromisslos, z. B. Mondrian, Rothko, Duchamps. Im meinem Kopf leuchtet stets die rote Lampe: „Keine Wiederholungen!“

Wo gibt es aktuell etwas von Ihnen zu sehen?

Aktuell gibt es eher viel zu hören: Ich bin zu diversen Podiumsgesprächen eingeladen (Berlinale) und zu einigen Präsentationen.
Mithilfe einer App möchte ich unabhängig von Ort und Zeit meine Werke präsentieren und Ergebnisse meiner aktuellen Arbeit zeigen. Freiheit und Unabhängigkeit ist das, wonach alle Künstler und Freigeister streben.

Roman Lipski, herzlichen Dank für die Einblicke in Ihre Arbeit!

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