Schreiben für Architektinnen und Architekten?
ArchitektInnen zeichnen, planen, entwerfen – aber schreiben? ArchitektInnen müssen doch nicht schreiben. Und in der Tat müssen sie in ihrem Berufsalltag keine Schriftstücke abliefern, im Studium werden keine umfangreichen Hausarbeiten verlangt. Erwartet wird, wie in vielen kreativen Bereichen, ein „Produkt“ – ein Entwurf, ein Konzept. Salopp gesagt: Am Ende der Arbeit eines ArchitektInnen steht ein Haus, kein Buch.
Allerdings: ArchitektInnen müssen ihre Ideen kommunizieren. Mit Bauherren, auf der Baustelle, mit Kollegen, mit Chefs, auch mit Anwohnern, mit Laien und Interessierten, mit Behörden und Ausschüssen, mit den Medien. Dafür steht ihnen eine ganze Reihe von Hilfsmitteln zur Verfügung: Sie teilen ihre Ideen mit Hilfe von Modellen, Zeichnungen, Plänen, Renderings mit – und über Sprache. Dies beginnt im Studium mit Präsentationen und Vorträgen – auch dies ist letztendlich ein Text! –, und setzt sich im Beruf unverändert fort: Emails, Anträge, Bauherren-Gespräche, Wettbewerbsbeiträge, Pressemitteilungen, Darstellungen auf der Website, Texte für Verwaltung und Behörden … Die Palette an Bereichen, in denen sprachlich kommuniziert wird, ist weitaus größer, als es im ersten Augenblick den Anschein hat. Zudem mag es desillusionieren, aber auch der Beruf des ArchitektInnen ist davon abhängig, wie er oder sie seine Ideen zu kommunizieren und damit zu verkaufen in der Lage ist. ArchitektInnen arbeiten also sehr wohl mit Sprache. Auch ArchitektInnen schreiben.
Sie neigen allerdings dazu, die sprachlichen Möglichkeiten zu vernachlässigen.
Warum ist das so? Fragt man nach und bittet um Einblick in die Alltagspraxis, wird deutlich, dass sich Architekten und Architektinnen ihrer sprachlichen Schwächen durchaus bewusst sind. Hin und wieder kokettieren sie sogar damit. Im Studium sei das Thema zu kurz gekommen, heißt es dann. Man habe dazu leider keine Betreuung, keinen Input erhalten. Das sei schade, denn sprachliche Kommunikation spiele – neben allen anderen Handwerkszeugen – eine wesentliche Rolle im Berufsleben und bedeutet letztendlich auch einen professionellen Vorteil: Ein souveräner Umgang mit Sprache und Kommunikation ist eine Visitenkarte, die für sorgfältiges und professionelles Arbeiten steht.
Studierende und Absolventen hingegen betonen die Überforderung, neben dem Entwerfen im Studium auch noch sprachlich arbeiten zu müssen. Insbesondere durch die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse auch in der Architektur hat sich in den vergangenen Jahren im Curriculum einiges verändert, die Anforderungen an Textleistungen sind größer geworden. Viele fühlen sich mit diesen Anforderungen allein gelassen. Es finde keine Schreibbetreuung statt, es gebe wenig bis gar keine Hilfestellungen und Informationen zur sprachlichen Arbeit, heißt es immer wieder. Auch viele Lehrende geben durch die Blume zu verstehen, dass in diesem Bereich Nachholbedarf bestehe, der von ihnen jedoch nicht geleistet werden könne.
Die gute Nachricht – schreiben und texten ist auch im Architekturbereich nichts, das nicht mit ein wenig Anleitung und Training gut zu meistern wäre. Bei der Arbeit mit Studierenden konnte ich beobachten, dass schon mit wenigen Hilfestellungen deutliche Verbesserungen beim Verfassen von Konzepterläuterungen zu beobachten waren – und ebenso bei der Schlusspräsentation am Ende des Seminars. Etwas bewusst zu versprachlichen bedeutet, Struktur in die Gedanken zu bringen, um sie gut verständlich kommunizieren zu können. Dadurch kann nicht nur ein schriftlicher Text entstehen, sondern auch ein gelungener mündlicher Vortrag. Dies ist ein großer Vorteil des Schreibens, der häufig vergessen wird: Wer seine Ideen in einem gut strukturierten Konzept notiert, wird es auch besser präsentieren – eine grundlegende Schlüsselkompetenz des professionellen Arbeitens als ArchitektIn.
ArchitektInnen müssen nicht schreiben.
Sie können!
Unterstützung dabei wird (m)ein Buch „Schreiben im Architekturstudium“ bieten, das im kommenden Jahr erscheint. Es wendet sich an Studierende, bietet jedoch auch allen Architekt*innen darüber hinaus Hilfestellungen beim Schreiben und Versprachlichen von Konzepten. Ziel des Buches ist, für das Potenzial der sprachlichen Kommunikation in der Architektur zu sensibilisieren und praktische Methoden an die Hand zu geben. Und wer weiß, vielleicht findet der ein oder andere Architekt*in sogar Spaß am Schreiben!
Schreiben im Architekturstudium
Schreiben im Studium, herausgegeben von Swantje Lahm
Verlag Barbara Budrich
Opladen und Toronto
2021