Turit Fröbe | Architekturpolitik in Finnland: Wie Baukulturelle Bildung gelingen kann _ REVIEW

Seit der Pisa-Studie lange pädagogisches Musterland, seit einigen Jahren das einzige Land mit einer rein weiblichen Führungsspitze in der Regierung – und nun spielt Finnland also auch in der Architekturpolitik ganz vorne mit?

Wie machen die das? 

Turit Fröbe, Urbanistin und passionierte Baukulturvermittlerin, die sich vor allem mit ihrer leidenschaftlichen Beschäftigung mit Bausünden einen Namen gemacht hat, stellt in ihrem neuesten Buch die Ergebnisse einer Feldstudie vor, in der sie der international rezipierten finnischen Architekturpolitik nachgespürt hat. Wie erfolgreich ist diese? Und weswegen? Ist es gelungen, die baukulturelle Bildung im Bildungssystem zu verankern – und wenn ja, in welcher Weise? Was können Länder wie Deutschland aus den finnischen Erfahrungen lernen?

In sechs Kapiteln beleuchtet Fröbe diese Fragen. Schön ist, dass fast jedes Kapitel mit einem Fazit endet, in dem die wichtigsten Beobachtungen noch einmal konzentriert zusammengefasst werden. Der Stil ist etwas akademisch-steif, man spürt die Studie. Ergebnisse werden zusammengefasst, Gespräche und Interviews häufig in indirekten Zitaten wiedergegeben. Das liest sich nicht ganz so leicht, auch wenn es dem Informationsgehalt des Buches natürlich keinen Abbruch tut.

Den meisten LeserInnen dürfte Finnland nicht wirklich näher bekannt sein. Spannend ist daher Fröbes einführender Blick auf die architektonische Situation des Landes (die sie auch immer wieder in Vergleich zu Deutschland stellt). Erstaunlich ist die besondere Affinität der Finnen zur Architektur, die im Nation Building-Prozess des kleinen (5,5 Millionen Einwohner) und jungen Landes (Nation Building setzt erst etwa um 1800 ein) eine beträchtliche Rolle gespielt hat. Allein dies markiert einen gravierenden Unterschied zu Deutschland, der sich auch in der Art der Baupolitik niederschlägt.

Tatsächlich hat Finnland, als eines der ersten Länder Europas, seit 1998 eine offizielle Architekturpolitik verabschiedet, die unter anderem auch darauf zielt, das Bauen systematisch in das Bildungssystem zu integrieren. Fröbe zeichnet die Entwicklungen seither ausführlich nach; schön wäre noch gewesen, wenn das Buch auch eine (natürlich übersetzte) Version der nur kurzen offiziellen Erklärung zur Architekturpolitik Finnlands aufgeführt hätte. Erstaunlich im Sinne der Transparenz und Fairness ist, wie offen und selbstkritisch die finnischen GesprächspartnerInnen der Autorin auch darüber, welche Zielsetzungen nicht erreicht wurden (tatsächlich wurden nur neun von 24 Zielsetzungen erreicht – und damit dennoch einiges mehr als etwa in Deutschland) – und warum: Auch im Musterland Finnland gibt es etwa interministeriellen Schwierigkeiten in der Umsetzung groß angelegter visionärer Zielsetzung.

Aktuell ist Finnland dabei, eine neue, verbesserte und aktualisierte Version ihrer Architekturpolitik zu erarbeiten.

Turit Fröbe, Architekturpolitik in Finnland: Wie Baukulturelle Bildung gelingen kann, Jovis Verlag, Berlin 2020, Link

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